Reichstag in Berlin
Reichstag
Das in den ehemaligen Stadtbezirken Tiergarten und Mitte konzentrierte Berliner Parlaments- und Regierungsviertel wird trotz seiner gewaltigen und teilweise als monströs zu bezeichnenden Neubauten immer noch von einem herausragenden Bauwerk dominiert – dem Reichstagsgebäude und Sitz des Deutschen Bundestags.
Nachdem Berlin mit der 1871 erfolgten Proklamation des Deutschen Kaiserreichs Reichshauptstadt wurde, benötigte das neue Parlament ein repräsentatives Gebäude, das von Paul Wallot als mächtiger Palast im Neorenaissance-Stil erbaut wurde und im Jahr 1894 bezogen werden konnte. Der Kaiser selbst legte den Grundstein zu diesem Bau, der erst 1916 seine berühmte Giebelinschrift „Dem Deutschen Volke“ erhielt. Hier rief Philipp Scheidemann 1919 die Republik aus und am Abend des 27. Februar 1933 brannten Kuppel und Plenarsaal des Gebäudes aus. Auf den Ruinen des während des Krieges zerstörten Reichstags hissten zwei Rotarmisten die sowjetische Fahne, während nur wenige Meter von hier entfernt Hitler in seinem „Führerbunker“ Selbstmord beging.
Erst im Jahr 1970 war der Wiederaufbau des Reichstagsgebäudes vollendet, bei dem bewusst auf die Errichtung der Ende der 1950er Jahre gesprengten Kuppel verzichtet wurde. Obwohl der Deutsche Bundestag seinen Sitz in Bonn hatte, tagte er regelmäßig im Reichstag, was stets zu Protesten der DDR und der Sowjetunion führte.
Am 4. Oktober 1990 fand im Plenarsaal die erste Sitzung des gesamtdeutschen Parlaments statt, das sich aus Bundestag und Volkskammer zusammensetzte. Nach seinem Umbau und der feierlichen Eröffnung tagte das Parlament erstmals wieder am 19. April 1999. Obwohl die korrekte Bezeichnung des Gebäudes nun „Der Deutsche Bundestag im Reichstagsgebäude“ lautet, ist den Berlinern dieser Name zu umständlich, weshalb sie weiterhin bei „Reichstag“ bleiben.
Die Hauptattraktion des nach den Plänen von Norman Foster gründlich umgebauten Gebäudes ist die weithin sichtbare Kuppel, die von früh bis spät Zehntausende Besucher wie ein Magnet anzieht. Zuerst hatte der Architekt lediglich eine gewaltige Überspannung des Gebäudes mit einem Glasdach vorgesehen, doch der Bauherr forderte eine Kuppellösung, die schließlich zur architektonischen Meisterleistung wurde. Sie zählt zu einem der Berliner Wahrzeichen und wirkt besonders bei nächtlicher Beleuchtung beeindruckend und stimmungsvoll zugleich. Auf spiralförmig angelegten Rampen kann das „Volk“ täglich hoch über dem Plenarsaal wandeln, der dann sogar an sitzungsfreien Tagen belebt erscheint. Eine Aussichtsplattform bietet einen herrlichen Blick weit über Berlin, für den allein sich der Aufstieg durch die Kuppel lohnt.
Auch Kunst und Kultur kommen im Reichstag nicht zu kurz. So wurde das gesamte Gebäude im Jahr 1995 von den Künstlern Christo und Jeanne-Claude sehr wirkungsvoll verpackt, was dem ansonsten grauen Gebäude ein völlig anderes Aussehen und eine andere Wirkung verlieh. Zwei Wochen lang war der Reichstag mit einem silbern glänzenden Stoff verhüllt, was zu Begeisterung und auch Kritik führte.
Auch heute trifft man im Gebäude auf Werke von Gerhard Richter und Sigmar Polke und auch „alliierte“ Künstler sind im Reichstag mit allerlei Projekten vertreten. Besonders erwähnenswert ist auch die Neon-Installation von Hans Haacke im nördlichen Innenhof des Reichstagsgebäudes, der die Inschrift auf dem Giebel „Dem Deutschen Volke“ aufgenommen und in „Der Bevölkerung“ umformuliert hat. Diese Widmung soll sinnbildlich für alle Menschen im Land gelten, insbesondere auch solchen, die keine deutschen Staatsbürger sind und dennoch dazugehören.
