Tacheles in Berlin



Kunsthaus Tacheles

In der Oranienburger Straße der Spandauer Vorstadt herrscht heute beinahe wieder das rege Leben wie es zu Zeiten der hier ansässigen jüdischen Kultur und des turbulenten Treibens um die Friedrichstraße herum an der Tagesordnung war. Besonders die Ecke Friedrichstraße/Oranienburger Straße mit ihren unzähligen Bar, Cafés und Restaurants ist ein beliebter Magnet für buntes Leben, an dem die Ruine des Kunsthauses und Kulturzentrums Tacheles maßgeblich beteiligt ist. Hier stand einst das 1909 fertiggestellte „Passage-Kaufhaus“ auch Friedrichstraßenpassage genannt, welche die Friedrichstraße mit der Oranienburger Straße verband und gleich die zweitgrößte Passage in Berlin war.

Die im Auftrag einer Aktiengesellschaft von Einzelhändlern errichtete Passage, bot den gigantischen Warenhäusern Konkurrenz und war zugleich eine der ersten Stahlbetonkonstruktionen Europas. Auch die Innenausstattung mit einem eigenen Beförderungs- und Rohrpostsystem zählte zu den modernsten technischen Errungenschaften der damaligen Zeit. 1928 wurde die Passage von AEG übernommen und als „Haus der Technik“ für Produktpräsentationen und Ausstellungen genutzt.

In den Schauräumen des einstigen Kaufhauses wurden die einzelnen Produkte aus den Gebieten der Elektrifizierung vorgestellt und im Kuppelbau des Gebäudes fanden häufig Filmvorführungen statt. Berühmt wurde das „Haus der Technik“ durch die erste Fernsehübertragung der Welt, die Ende der 30er Jahre hier stattgefunden hat.

Während des Nationalsozialismus wurden immer größere Teile im Haus der Technik von Parteiorganisationen belegt und in den letzten Kriegstagen wurde der zweite Tiefkeller geflutet, der seither unter Wasser steht. 1948 wurde das Gebäude vom FDGB übernommen, wo es jahrzehntelang als gigantische Ruine allmählich dem völligen Verfall preisgegeben schien. Die Trakte in der Passage waren teilweise aufgerissen, die Dächer mit Unkraut bewachsen und nur zeitweise Nutzungen einzelner Gebäudeteile brachten ein wenig Leben in das riesige Haus.

Anfang der 1980er Jahre wurden einige Trakte gesprengt, da in der neuen Planung der Friedrichstraße kein Platz für den Ladenkomplex vorgesehen war. Im April 1990 sollte die letzten Reste der Passage beseitigt werden, und am 13. Februar des gleichen Jahres wurde die Ruine von der Künstlerinitiative Tacheles besetzt, die den sofortigen Stopp der bereits eingeleiteten Abrissvorbereitungen forderte.

Praktisch in letzter Minute gelang es der Initiative, die Ruine zu erhalten und sie erreichten zudem, dass das Haus unter Denkmalschutz gestellt wurde. Die neuen Besitzer der Passage bedrohten das interessante Projekt, doch haben sich die Parteien inzwischen geeinigt und heute betreiben etwa 50 Künstler ihre Ateliers, ein Theater und die etwas gruftige Kneipe Zapata.

Der Name „Tacheles“ stammt aus dem Jiddischen und bedeutet Klartext reden, sich erklären oder jemandem seine Meinung sagen. Die hebräische Bedeutung lautet: Ein Ziel verfolgen und etwas auf den Punkt bringen. Dass dieser Name zugleich Programm ist, wird jedem Besucher klar, sobald er die „unangepassten“ Atelierräume betritt und auch das Kunsthaus als Ganzes auf sich wirken lässt, das nach allgemeiner Auffassung nicht nur Kunst enthält, sondern vielmehr Kunst ist.





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