Schloss Neuschwanstein
Schloss Neuschwanstein
Es ist das berühmteste Märchenschloss Deutschlands – und das nicht nur für seinen einstigen Erbauer, den ebenso märchenhaften Bayernkönig Ludwig II. Schloss Neuschwanstein, das alljährlich von über einer Million Besucher bestaunt wird, hätte laut Testament des Königs nach dessen Tod eigentlich gesprengt werden müssen, da er keinen Menschen für würdig erachtete, seine ganz persönliche Traumwelt zu betreten.
Ludwig II. schwebte eine mittelalterliche Ritterburg vor, als er im Jahr 1869 mit der Errichtung seines Märchenschlosses begann. Er wollte stets lieber im Mittelalter leben, da ihm diese Zeit sehr viel schöner schien als das nüchterne 19. Jahrhundert, in dem er als König ein Land regieren musste. Und weil Ludwig mit der grauen Realität nicht zurechtkam, zog er sich in die Einsamkeit der Bergwelt zurück, um dort seinen Traum von einer schöneren Welt zu verwirklichen.
Nach den Entwürfen der Idealansichten des Bühnenmalers Christian Jank wurde 1869 mit dem Bau der Burg im Stile des 12. Jahrhunderts begonnen; die neuromanische und neugotische Anlage wurde mit Zinnen, Giebeln, Türmen, Zugbrücken und blendend weißen Mauern ausgeführt, doch sollte die „Gralsburg“, wie Ludwig sein Traumschloss nannte, nie fertiggestellt werden.
Das Schloss kann nur im Rahmen einer Führung besichtigt werden, die jedoch alle sehenswerten und voll ausgestatteten Prachträume einschließt. Die Besucher wandeln durch Zimmer, die niemals zum Wohnen gedacht waren. Im byzantinisch ausgestatteten Thronsaal stand nie ein Thron, und wer genau hinschaut, erkennt sogar, dass auch an edlen Materialien gespart wurde. Statt Edelsteinen funkelt buntes Glas und raffiniertes Kunsthandwerk täuscht kostbaren Marmor vor. Die „Wohnräume“ sind alle im neoromanischen Stil gehalten, nur das Schlafzimmer mit seinem gotischen Prunkbett wird von neugotischen Schnitzereien dominiert. Zwar zieren die Bilder berühmter Liebender die Wände des Schlafgemachs, doch zeigen sie alle nur leidvolle Abschiedsszenen.
Die Privaträume des Königs sind über und über mit Motiven aus germanischen Sagen und Wagner-Opern ausgeschmückt. Schwäne bevölkern ebenso die Wände wie Tristan und Isolde, Siegfried mit dem Drachen und Szenen aus der Lohengrinsage.
Die kleine Grotte, die der Venusgrotte aus dem Tannhäuser nachempfunden wurde, wirkt tatsächlich wie eine Tropfsteinhöhle, deren farbige Beleuchtung und der kleine Wasserfall zusätzlich für romantische Stimmung sorgen. Dem Sängersaal diente der gleichnamige Saal der Wartburg zum Vorbild. Hier herrscht vor allem die Sage um den Gralsritter Parzival vor. Dieser prächtige Festsaal, in dem nie ein Fest stattgefunden hat, wird heute als stilvolle Kulisse für stimmungsvolle Schlosskonzerte genutzt. Die Führung endet in der riesigen Schlossküche, in der nur für den König gekocht wurde und den in ihrem unfertigen Zustand verbliebenen übrigen Zimmern, in denen ein Café und der sehr ergiebige Museumsshop untergebracht wurden.
Ludwig II. hat insgesamt nur 170 Tage in seinem Märchenschloss verbracht, wo er ganz er selbst sein durfte und nicht die ihm zeitlebens verhasste Rolle des nüchternen Monarchen spielen musste. Am 12. Juni 1886 verließ der König seine Gralsburg zum letzten Mal, um zum Starnberger See zu fahren, wo er am nächsten Tag seinen bis heute mysteriös gebliebenen Tod fand. Vielleicht ist es gerade der vielfältige Legendschatz um das rätselhafte und stets unverstandene Leben des Märchenkönigs, das die Besucher seines Lieblingsschlosses auch heute noch ins Schwärmen bringt und zum Träumen verleitet.
